Freitag, 18. November 2011

Vorletztes Kapitel einer langen Reise

Zu allererst mal DANKE! An Euch alle, die Ihr mitgefiebert und an mich gedacht habt. Das hat mir viel Auftrieb gegeben, sodass ich selbst in den schwierigen Momenten dieses Rennens nie ans Aufgeben gedacht habe. Und dann zur Ankunft Eure Jubelfotos, das war wirklich der Hammer!

Seit gestern Abend habe ich jetzt endlich "frei". RIKKI TIKKI und BLACK MAMBA (das Boot von Bruce Gailey) sind verpackt, auf ihrem jeweiligen Lagerbock  in einer Halle am Hafen und fertig für den Rücktransport nach Europa. Das vorletzte Kapitel dieser zweijährigen Reise. Das letzte wird wohl sein, die Boote in Lorient in Empfang zu nehmen. Wer weiß was dann kommt...
Ich habe unglaublich viel erlebt in den letzten drei Monaten, die zweite Etappe war unerwartet hart (viele sprechen vom härtesten Minitransat, seit die Route nach Brasilien geht) und jeder der in Salvador angekommen ist, kann das alleine schon als Sieg feiern. Natürlich möchte ich meine Erlebnisse mit Euch teilen und werde hoffentlich bald hier einen Bericht über mein Minitransat veröffentlichen. Die letzten zwei Wochen waren voll mit Programm, Arbeiten an den Booten und ein bisschen Entspannung, die dringend notwendig war. Ich bitte also noch um etwas Geduld. In einer der nächsten Ausgaben der "YACHT" wird übrigens ein Bericht erscheinen, den ich schon geschrieben habe.

Wir Segler haben unsere Ankunft hier natürlich auch ausgiebigst gefeiert. Mein persönliches Highlight war die von einigen Skippern in Eigenregie organisierte inoffizielle Abschlussparty, mit Sonderehrungen für bestimmte Leistungen während des Rennens: wer musste besonders oft in den Mast, wer hat am meisten oder am wenigsten gefunkt, etc. Ich habe nicht alles verstanden, und natürlich waren die Beurteilungen sehr subjektiv von den französischen Skippern, aber irgendwie war jeder am Ende mal kurz auf der Bühne und es war unglaublich lustig, selbst wenn man nur einen Bruchteil verstanden hat. Ich habe keine Fotos gemacht, aber das Bild hier zeigt den Kater danach... Das Motto war übrigens "Magnum", was dann auch die Gesichtsfrisur erklärt.

 

Samstag, 5. November 2011

23 Tage

Nach über 23 Tagen hat Björn es geschafft! Er ist am Ziel!!!
Wir freuen uns alle riesig und sind auch erleichtert, dass er gut angekommen ist!



Herzlichen Glückwunsch, Bruderherz!

Herzlichen Glückwunsch!!!

Posted by Picasa

Juhuuuuuuuuuu!

Posted by Picasa

Zielgerade

Hier schreibt die Schwester:
Wie macht er das eigentlich? In den letzten Tagen hat Björn nachts immer deutlich gegenüber Bruce aufgeholt. Das Carbon Tea Tray wird er zwar nicht mehr gewinnen, aber er hat's zum Schluss nochmal spannend gemacht. 62 Seemeilen lagen heute um 10 Uhr UTC (11 Uhr CET) noch vor ihm. Gestern abend waren es noch 160 Seemeilen. Wenn er die 6 Knoten Geschwindigkeit halten kann, ist er also in ca. 10 Stunden am Ziel! Die Partyvorbereitungen können beginnen...

Mittwoch, 2. November 2011

Jubelvorbereitung - seid Ihr dabei?

Hier schreibt wieder die Schwester:

Vor gut 20 Tagen ist Björn zur zweiten Etappe des minitransat gestartet. Nun liegen noch 433 Seemeilen zwischen der Rikki Tikki und Salvador da Bahia. Björn liegt auf Platz 26 und ist mit 6 Knoten immer noch Bruce auf den Fersen, zu dem der Abstand im Moment bei 34 Seemeilen liegt. Aber egal, ob er das Carbon Tea Tray gewinnen wird, Björn hat ein super Rennen gemacht!

Natürlich würden wir alle gern am Steg stehen, wenn Björn am Samstag oder Sonntag seine Rikki Tikki in der Marina von Salvador festmachen wird. Soweit mir jedoch bekannt ist, kann das niemand ermöglichen. Wir jubeln ihm aber trotzdem zu! Und zwar so: Macht ein Jubelfoto und schickt es an folgende Email-Adresse: rikkitikki2011@gmx.de Wir machen daraus eine Collage und stellen sie hier auf Björns Blog. Dieser Aufruf ist an ALLE gerichtet, die ihm die Daumen gedrückt und mitgefiebert haben - also, liebe Verwandte, Freunde, Bekannte, Kollegen: Schickt uns gleich nach Björns Ankunft Eure Jubelfotos!

Danke schon mal für's Mitmachen!
Wiebke

Sonntag, 30. Oktober 2011

Äquatorpassage!

Hier schreibt die Schwester:

Heute ist es soweit - der erste Proto, David Raison mit TeamWork Evolution, wird in Salvador de Bahia eintreffen - und Björn wird den Äquator überqueren! Er befindet sich im Moment auf Rang 27 und hat noch 981 Seemeilen vor sich. Bruce Gailey liegt nur 40 Seemeilen vor ihm. Das Carbon Tea Tray ist also fast in greifbarer Nähe, theoretisch jedenfalls...
Zur Feier seiner Äquatorpassage hat Björn zwei Flaschen Hersbrucker Bier an Bord (zwaa Seidla, wie wir Franken sagen). Wir freuen uns mit ihm, dass er es bis hier so gut geschafft hat! Weiter so! Halte durch, Björn! Go, Rikki Tikki, go!

Freitag, 21. Oktober 2011

Noch 1870 Seemeilen

Hier schreibt die Schwester:
Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass Björn einen ganz guten Start in Madeira hatte ("Es waren bestimmt 20 Boote hinter ihm", so unsere Mutter und Augenzeugin). Umso verwunderlicher ist es, dass er in den ersten beiden Tagen auf den letzten Platz zurückgefallen war. Hatte er Probleme? Warum dieser Zickzackkurs? Aber nach acht Tagen auf der zweiten Etappe hat er sich inzwischen auf einen tollen 29. Platz vorgekämpft. Wir hoffen, dass Björn keine Probleme bekommt, wie es leider einigen anderen Seglern widerfahren ist - Mastbruch, Ruderbruch, Verletzung - und er weiter mit viel Rückenwind über den Atlantik rauschen kann!
Hier als Ergänzung noch ein paar Fotos von Björn und der Rikki Tikki im Hafen von Funchal und beim Start:

alle Fotos von Margarita Dane

Mittwoch, 12. Oktober 2011

The Race is on

Der Zwischenstopp auf Madeira war wie ein kleiner Kurzurlaub. Zum Glück nur kleinere Reparaturen an meinem Boot, die ein oder andere aber nicht ganz unwichtig. So hat sich z.B. das Rätsel gelöst, was auf halber Strecke zwischen La Rochelle und Madeira aus dem Mast heruntergefallen ist. Eine Mutter von der Befestigung für den Windanzeiger hatte sich gelöst und ein Gewinde offen liegen lassen, das möglicherweise der Grund dafür war, dass das Großfall bei meiner Ankunft hier halb durchgescheuert war. Schön solche Dinge noch vor dem Start zur eigentlichen Transatlantiketappe zu entdecken.
Ansonsten kann´s wegen mir jetzt losgehen. Die Zeit auf Madeira war schön, aber jetzt will ich endlich das eigentliche Rennen segeln. Mein Abstand zum Mittelfeld ist relativ gering, der 17. ist nur 5 Stunden vor mir. Es ist also noch jede Menge drin, hoffe ich. Für den Gewinn des Carbon Tea Trays muss ich ca. 4 Stunden auf Bruce und Ulf aufholen...
Bis in drei Wochen, dann von der anderen Seite des Atlantiks und des Äquators!

Freitag, 7. Oktober 2011

Madeira!

Aus einem kurzen Tiefschlaf schrecke ich auf, irgendwas war gerade anders an den hämmernden Geräuschen der Wellen an der Bordwand, die im einrichtungslosen Bootsinneren verstärkt werden wie in einer großen Trommel. Ich schäle mich aus meiner komfortablen Schlafposition zwischen all der Ausrüstung, die ich zum Gewichtstrimm auf der Luvseite verzurrt und verkeilt habe. An Deck erwartet mich eine pechschwarze Biscayanacht, es ist kurz nach Neumond und RIKKI TIKKI fährt in eine Dunkelheit hinein, in der man gerade noch die nächste Welle erkennen kann. Und die Effekte des fluoreszierenden Planktons. Im Heckwasser leuchten kleine und größere Punkte weißlich grün für ein, zwei Sekunden auf und erzeugen eine Art Feuerschweif, in zwei Metern Tiefe ist ein zweites Leuchtband zu erkennen, das von der Kielbombe erzeugt wird. Ich sehe mich nach möglichem Treibgut um und entdecke den Grund für das veränderte Trommeln am Rumpf: um den Bug herum wabert eine weitere Leuchtmasse von rechts nach links. Es ist ein Fischschwarm, die Fische springen immer wieder aus dem Wasser und prasseln dann gegen die Bordwand. Das Schauspiel ist wunderschön und unheimlich zugleich, es erinnert an Frank Schätzings „Der Schwarm“.
In den letzten Tagen in La Rochelle und während der gesamten ersten Etappe gibt es viele dieser Momente, in denen ich nur noch staune und mir immer wieder klarmachen muss, dass das alles wirklich passiert. Die Naturereignisse, das Ablesen der Position auf der Seekarte, wobei man feststellt, dass im Osten hinter dem Horizont Casablanca liegt und nicht die Ile de Groix, die überraschend große öffentliche Aufmerksamkeit, das Mitfiebern der Freunde zu Hause, das Gemeinschaftsgefühl unter den Seglern, all das ist einfach überwältigend.
Die unglaubliche Nervosität, die sich bis zum Start am 25.09. kontinuierlich aufgebaut hat, verschwindet, als mich das Motorboot aus dem Bassin des Chalutiers in La Rochelle durch die Hafenausfahrt schleppt während „Eye of the tiger“ lautstark läuft und die vielen Zuschauer applaudieren und „Bonne Chance“ rufen. Endlich hat das unerträgliche Warten ein Ende, es geht los.
Der Start gelingt nicht besonders gut. All der Trubel lenkt mich zu sehr ab, beim 8-Minuten-Signal knattert einer der beiden Hubschrauber, die Luftaufnahmen machen, über mich hinweg, sodass ich verpasse die Zeit richtig zu nehmen. Außerdem wird die Startprozedur anlässlich des Todes unseres Mitseglers Jean-Marc Allaire um eine Gedenkminute erweitert. D.h. nach dem Startschuss stoppen alle wie abgesprochen ihre Boote und segeln erst los, wenn über Funk das Ende der Gedenkminute signalisiert wird. Ich versuche mich aus dem Pulk herauszuhalten, bekomme trotzdem beim sehr leichten Wind das Boot nicht schnell genug in Fahrt und befinde mich sehr weit hinten im Feld, als ich die zweite Bahnmarke vor der Ile d´Oleron passiere. Egal, es sind ja noch 1100 Meilen.
Von Anfang an entwickele ich eine gute Bordroutine, die von den Terminen der Rennleitung unterstützt wird. Zwischen sechs und sieben wird es hell, dann gibt es ein kleines Frühstück. Um acht Uhr morgens und sieben Uhr abends UTC (universal time coordinated): Positionsmeldung an die Begleitschiffe über Funk. Der Bootsnummer nach wird man angefunkt, gibt seine Koordinaten an, wird nett gefragt ob alles in Ordnung ist, wie der Tag oder die Nacht war. Die Prozedur dauert etwa eine Stunde und bietet die Möglichkeit sich im Feld etwas zu orientieren. Wo sind die anderen, bin ich eher nördlich oder südlich bzw. östlich oder westlich? Wie weit sind die anderen etwa entfernt? Dazwischen, um fünf nach elf Uhr vormittags, kommt über die Kurzwellenfrequenz von Monaco Radio der Wetterbericht auf Französisch und Englisch, danach die aktuelle Rangliste. Die Stimme des Race Directors Denis Hugues ist nur schwer zu erkennen im Hintergrundrauschen und zwischen den Summtönen, die das SSB-Radio vom Autopiloten bei jeder Bewegung empfängt. Ich drehe kontinuierlich am Frequenz- und Gainregler um die Stimme möglichst verständlich zu halten während sie zwischen Darth Vader und Mickey Mouse hin- und hermoduliert. Mit dem Diktaphon nehme ich die gesamte Meldung auf und brauche danach etwa eine Stunde um die wesentlichen Wetterinformationen herauszufiltern. Um sechs Uhr abends wird es dunkel, davor esse ich etwas und mache mich „fertig für die Nacht“. D.h. Katzenwäsche, Skiunterwäsche und Ölzeug ersetzen kurze Hose und Longsleeve, Stirnlampe auf. Nach der Funkroutine fange ich mit den 20-minütigen Schlafetappen an, die ich je nach Windverhältnissen und Schiffsverkehr kürzer oder länger unterbreche.
Anders als noch beim 1000-Meilen-Qualifikationstörn letztes Jahr, verspüre ich keine Einsamkeit. Wir sind wie ein Team, das jetzt über den Atlantik segelt. Es wird viel gefunkt untereinander. V.a. in den ersten Tagen, in denen man noch relativ nah beieinander liegt. Ich kommuniziere in erster Linie mit meinen beiden Konkurrenten um das „Carbon Tea Tray“, Bruce Gailey (529) und Ulf Brändström (772). Nachdem wir uns eher in der Mitte bzw. hinten im Feld aufhalten, haben wir unsere eigene Trophäe ausgeschrieben, ein kleines Teetablett aus Carbon, das Ulf gebastelt hat. Außerdem gilt: the winner pays the dinner. Wer von uns dreien als erster im Ziel ist, muss die anderen beiden zum Abendessen einladen. Bei den Funkkontakten tauscht man meistens seine Positionen untereinander aus und bespricht sonst aber eher nicht segeltaktische Dinge, was auch gegen die Regeln verstoßen würde, sondern was es tolles zum Essen gegeben hat, dass man sich heute mal geduscht hat, welche Musik man hört oder ob man gut geschlafen hat. Manchmal könnte man vergessen, dass wir hier ein Rennen segeln. Aber der Schein trügt, jeder hat einen gewissen Ehrgeiz und nachdem ich relativ weit hinten liege höre ich v.a. enttäuschte Bemerkungen über die eigene schlechte Position.
Auch ich selbst bin nicht ganz zufrieden, hänge gerade noch so im Schlepptau des Hauptfeldes. Die ersten vier Tage in der Biscaya waren gespickt mit nervenraubenden Flautenfeldern. Wir müssen uns durch ein praktisch ortsfestes Hochdruckgebiet in Richtung einer stationären Kaltfront vor der iberischen Halbinsel vorkämpfen. Unter zwei Knoten Windgeschwindigkeit fangen die Segel an zu schlagen. Kurz vor Finisterre treibt mich das derart in den Wahnsinn, dass ich sowohl die Fock als auch das Groß berge und ganz ohne Segel vor mich hindümpele. Diese Momente sind schnell wieder vergessen. Am 03.10. kann ich westlich von Gibraltar endlich wieder einen der Spinnaker setzen und bekomme einen Vorgeschmack auf die Trade Winds. Strahlend blauer Himmel, dunkelblaues Wasser, drei bis vier Windstärken und Madeira rückt mit großen Schritten näher. Ich genieße jeden Moment, die zehn Tage der ersten Etappe vergehen wie im Flug. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet
Ich erkenne Madeira erst aus zwei, drei Meilen Entfernung. Schon bei der Annäherung an Porto Santo im Morgengrauen des 05.10. hatte ich mich gewundert. Einen 1500 m hohen Berg muss man doch schon von weitem sehen. Hab ich irgendeinen Navigationsfehler gemacht? Beim vorherrschenden Ostwind bindet feiner Saharastaub Feuchtigkeit in der Luft. Der Dunst verdichtet sich an den steilen Felsküsten der Inseln und verhüllt sie komplett, sodass sie schon zum Greifen nahe sind wenn man sie sieht. Etwa mit Sonnenuntergang erreiche ich die Ziellinie als 33., ca. drei Stunden nach Bruce und Ulf, die sich kurz vor dem Ziel noch mit zwei anderen Minis ein packendes Finale geliefert hatten. Es herrscht noch reger Betrieb im Hafen von Funchal während ich in den Hafen von Funchal geschleppt werde. Ich hab die erste Etappe tatsächlich geschafft. All die Strapazen der Qualifikation haben sich gelohnt, was vor zwei Jahren noch ein vager Traum war wird jetzt Realität.

P.S.: leider (noch) keine Bilder mangels Kartenleser...


Montag, 3. Oktober 2011

Der Start

Am 25. September 2011 ist es endlich soweit: in La Rochelle starten 79 Minis zur Transatlantikregatta La Charente-Maritime - Bahia Transat 6.50! Die Sonne strahlt, die Gesichter der Skipperinnen und Skipper auch, denn nach zwei Jahren Vorbereitung ist der Tag X gekommen. Björn sagt, sein Adrenalinspiegel sei seit dem Morgen gleich bleibend hoch und er freue sich, dass es jetzt endlich losgeht. Man merkt ihm an, dass er aufgeregt ist. Er klatscht immer wieder in die Hände und sagt: "Auf geht's!" Die Rikki Tikki und er sind startklar.


Ab 14 Uhr werden die Minis von kleinen Motorbooten aus dem Hafenbecken geschleppt. Wegen der Gezeiten steht dafür nur ein relativ kleines Zeitfenster zur Verfügung. In 90 Minuten müssen 79 Boote herausgeschleppt werden, und zwar eins nach dem anderen, denn jedes Boot und jeder Skipper werden einzeln verabschiedet. Nachdem sich Björn und andere Segler gegenseitig die Hände geschüttelt und ermutigend auf die Schultern geklopft haben, um sich viel Erfolg zu wünschen, verabschiedet er sich von seiner Familie. Dann heißt es: "Leinen los!" Als einer der Ersten lässt er sein Boot aus dem Hafenbecken schleppen.


Es ist ein erhebender Moment: Björn steht am Ruder seiner Rikki Tikki als er die Schleusendurchfahrt passiert. Er winkt der großen Zuschauermenge zu, die sich rings um das Hafenbecken und oben an der Durchfahrt versammelt hat. Aus den Lautsprechern ertönt laute Musik. Eigentlich sollte jeder Segler bei seinem Abschied das von ihm gewählte Lied gespielt bekommen. Das scheint aber nicht zu klappen, denn, liebe Robocops, statt Eurem "I paid the ferryman" läuft "The eye of the tiger" von Survivor. Aber da die Reihenfolge vorher nicht festgelegt worden war und die Zeit so knapp war, sei dies den Veranstaltern verziehen. Eine Lautsprecherstimme stellt Björn vor, während er an den applaudierenden Menschen vorbeifährt. Der Applaus wird lauter, als erwähnt wird, dass er sich als Hobbysegler für dieses Rennen qualifiziert hat, obwohl er 600 km weit vom Mittelmeer, 700 km von der Nordsee und 1200 km vom Atlantik entfernt wohnt.

Wir, seine kleine Fangemeinde, klatschen und jubeln und rufen, als er hinausfährt. Wir freuen uns für ihn. Gleichzeitig machen wir uns natürlich auch Sorgen: wird alles gut gehen? Wenige Tage vor dem Start ist ein Teilnehmer bei der Überführung seines Bootes auf dem Weg nach La Rochelle über Bord gegangen und ertrunken. Das war ein großer Schock für alle Skipper und ihre Angehörigen. Wir machen uns unsere Gedanken. Aber wir versichern uns gegenseitig, dass Björn nicht der Typ ist, der unkalkulierbare Risiken eingeht. Außerdem ist er ja bestens vorbereitet.

Nun ist Björn also unterwegs zur Startlinie, die zwischen den beiden vorgelagerten Inseln Ile de Ré und Ile d'Oléron liegt. Während die anderen Skipper verabschiedet werden, begeben wir uns zu einem Zuschauerboot, um dort den Start live mitzuverfolgen. Die Rikki Tikki ist schon weit draußen, als wir losfahren, und als wir im Feld der Minis ankommen, können wir sie nirgends entdecken. Wir schippern langsam an den Booten vorbei, begegnen immer wieder der mare.de mit Jörg Riechers, dem anderen deutschen Teilnehmer und einem der Favoriten. Obwohl wir mit Ferngläsern ausgestattet sind, können wir Björn immer noch nicht sehen. Es ist wie verhext. Die Passagiere (ungefähr 200 Zuschauer befinden sich auf unserem Boot) applaudieren und rufen den Seglern zu. Außer den 79 Minis ist eine unglaublich große Anzahl an größeren und kleiner Zuschauerbooten versammelt. Dicht an dicht kreuzen die Minis vor der Startlinie und um sie herum wimmelt es nur so von Begleit- und Zuschauerbooten. Dann kommen auch noch zwei Helikopter angeflogen und umkreisen die Boote in geringstem Abstand, um spektakuläre Fotos und Filmaufnahmen zu machen. Auf der Website des Veranstalters und auf YouTube kann man sie sich ansehen. Dass wir Björn und seine Rikki Tikki nirgends sehen können, ist also nicht unbedingt verwunderlich. Vielleicht hat er sich aus dem Trubel auch etwas raushalten wollen, wer weiß?

Kurz vor dem Start entfernen wir uns von den Minis, denn jetzt gilt eine "Schutzzone", damit die Teilnehmer von Zuschauerbooten ungestört manövrieren können. Wir hören den 10-Minuten-Schuss, hören den eigentlichen Startschuss aber leider nicht und sind uns für einen Moment nicht sicher, ob das Rennen schon läuft oder nicht. Nach dem geplanten Start um 17.17 Uhr soll es eine Schweigeminute für den auf dem Weg nach La Rochelle tödlich verunglückten Segler geben, erst dann dürfen die Boote die Startlinie passieren.

Unser Boot nimmt wieder Fahrt auf, um das Geschehen an der ersten roten Boje, die die Minis passieren müssen, aus nächster Nähe beobachten zu können. Ganz vorne befindet sich ein gelber Proto (Sébastien Rogues "Eole Génération-GDF Suez", Nr. 716), der bereits erstaunlich viel Vorsprung hat. Eine zweite rote Boje muss passiert werden, bevor die Minis Richtung Westen, an der Küste der Ile d'Oléron entlang, hinaus aufs offene Meer segeln.

Endlich sehen wir Björn! Plötzlich haben wir ihn entdeckt, wenn auch der Blick auf ihn nie ganz frei wird. Aber wir sehen, dass er dabei ist und dass einige Boote hinter ihm liegen, alles bestens also! Wir bleiben noch eine Weile auf Höhe der zweiten Boje, bevor wir zum Hafen von La Rochelle zurückkehren und die Rikki Tikki am Horizont verschwindet. Jetzt drücken wir seit über einer Woche die Daumen, dass Björn die erste Etappe nach Madeira gut meistern wird. Es scheint ja ganz gut für ihn zu laufen. Sein persönliches Ziel, 10 bis 15 Boote hinter sich zu haben, hat er im Moment mit Platz 34 erreicht.

Samstag, 1. Oktober 2011

Der Countdown

Hier schreibt die Schwester: Als einer seiner größten Fans bin ich mit Kind und Kegel nach La Rochelle gereist, um live beim Start des Minitransat 2011 dabei zu sein. Björn gab mir den Auftrag, seinen Blog etwas zu aktualisieren, weil er selbst vor dem Start nicht mehr dazu kam. Jetzt, da ich wieder zu Hause bin, freue ich mich, in der nächsten Zeit seine Webmasterin sein zu dürfen. Von Madeira aus kann er sich vielleicht selbst melden, denn es ist ihm gelungen, den Skipper eines der Begleitboote zu überreden, seinen Laptop für ihn mitzunehmen.

Schon von Weitem konnte man erkennen, dass sich hier ein besonderes Ereignis ankündigte: entlang der Hafenmauern waren Zelte aufgestellt, die Fahnen der Teil nehmenden Nationen waren gehisst, eine Lautsprecherstimme war zu hören. Beim Näherkommen erblickte man Menschentrauben, die sich an den Verkaufs- und Informationsständen in den Zelten drängten, um Näheres über den Anlass für dieses Spektakel zu erfahren: den Start des Charente-Maritime/Bahia Transat 6.50 2011. Am Geländer der Hafenmauer waren ausführliche Steckbriefe aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer angebracht und die bereits erwähnte Lautsprecherstimme verkündete Wissenswertes über das Rennen.

Wenn man in das Hafenbecken hinuntersah, bot sich einem der Blick auf die in ein buntes Flaggenmeer getauchten Minis, für die dieser von den Gezeiten durch eine Schleuse geschützte Teil des Hafens von La Rochelle eigens reserviert worden war. Auf den Stegen lagen aufgerollte Segel, Seesäcke, Werkzeug, Taschen und Wasserkanister bereit, um verstaut zu werden. Auch hier drängten sich viele Besucher und es war ein Stimmengewirr aus Französisch, Italienisch, Englisch, Spanisch u.v.m. zu hören. Über all dem bunten Treiben lag eine fröhlich-gespannte Atmosphäre.

Dass diesem Rennen große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zuteil wird, war nicht zu übersehen: Ständig waren Fotografen und Kamerateams auf den Stegen unterwegs, die Segler gaben Interviews und bekamen nicht nur von Angehörigen und Zuschauern Besuch, sondern auch von Schulkindern: jedes Boot und jeder Segler hat nämlich eine eigene "Patenschulklasse". Die Schülerinnen und Schüler durften "ihr" Boot besuchen und seinem Skipper Fragen stellen. Jetzt prangt in jedem Großsegel das von der jeweiligen Klasse gemalte Bild. Das Bild für Rikki Tikki stammt aus Funchal auf Madeira, weshalb Björn erst dort von seiner Klasse Besuch erwartet.

Björn verbrachte die letzten Tage vor dem Rennen von morgens bis abends auf der Rikki Tikki, um die letzten Vorbereitungen abzuschließen. Er war also nicht schwer zu finden und empfing uns gleich an Bord, um uns alles zu zeigen: das erstaunlich geräumige Cockpit bot Platz für uns alle, und auch unter Deck könnten mehrere Personen gemütlich sitzen, wären da nicht die acht Segel, der Proviant, die Klamotten und Gerätschaften - vom Weltempfänger für den Wetterbericht bis zum Gaskocher für die Zubereitung der Astronautennahrung, die Björn im Vorfeld sorgfältig vorgekostet und ausgewählt hatte. (O-Ton meiner dreijährigen Tochter: "Und wo ist dein Badezimmer?"). Aber Björn hat sich ja nicht auf eine gemütliche Ausflugsfahrt begeben, sondern auf eines der härtesten Segelrennen überhaupt. Ganz wichtig ist natürlich auch der Autopilot, der meistens läuft, weil der Skipper gerade die Segel trimmen, ein Manöver vorbereiten, Funkmeldungen empfangen und durchgeben, etwas essen oder eine Runde Schlafen muss.

Zu den letzten Vorbereitungen gehörten auch zahlreiche Termine für die Skipper, wie z.B. ein offizieller Empfang, Briefings zu Sicherheitsvorkehrungen und zur Wetterlage. Wenige Tage vor dem Start war noch Gegenwind mit acht Beaufort angekündigt, kurz vor dem Start stellte sich jedoch heraus, dass mit eher schwachem Wind zu rechnen sein würde. Björn sah dies mit gemischten Gefühlen: einerseits hatte er die Hoffnung, der Gefahr seekrank zu werden, so zu entgehen. Andererseits war die Vorstellung, bei Flaute über die Biskaya zu dümpeln und sich dem Etappenziel Madeira nur schleichend zu nähern, nicht erbauend. Aber er hat immerhin für 15 Tage Proviant an Bord, was doch reichen sollte.

Der italienische Vorbesitzer der Rikki Tikki, der beim Minitransat vor zwei Jahren den 4.Platz erreicht hatte, stattete Björn kurz vor dem Start noch einen Besuch ab und gab ihm einige taktische Tipps. Viel wichtiger, als die Segel perfekt zu trimmen, sei es, auf keinen Fall den Wetterbericht zu verpassen und auf dieser Basis wohl überlegte Entscheidungen darüber zu treffen, welcher Kurs taktisch am besten zu wählen sei. Dies erklärt wohl auch, weshalb Björn momentan relativ weit vor der Küste Portugals segelt, also westlicher als viele andere Teilnehmer. Möge ihm diese Taktik Erfolg bringen!

Mittwoch, 7. September 2011

Wetterseminar

Zur Einstimmung auf das Minitransat habe ich gemeinsam mit etlichen anderen Seglern aus der Trainingsgruppe von Charles Euverte ein dreitägiges Seminar über Wetter und Taktik für das Rennen besucht. Jean-Yves Bernot hat uns einiges erzählt, über "Tropical Waves", die "Portuguese Trade Winds", den z.T. bis zu 100 Meilen langen Windschatten von Madeira, die Doldrums, das Windloch "African Triangle", den ausgeprägten Kapeffekt am Cap Finistere in Nordspanien, und dass man in den Trade Winds zwischen 4 und 6 Uhr morgens nicht schlafen sollte. Außerdem ging es darum, aus den wenigen Informationen, die uns zur Verfügung stehen werden und der aktuellen Wettersituation an Bord zu erkennen, welches der typischen Wetterszenarien sich gerade entwickelt.
Ich bin gespannt wie schwierig das dann auf See wird, was ich tatsächlich davon umsetzen kann. Denn das ist einer der reizvollsten Aspekte wenn es jetzt richtig offshore geht: das große Bild zu erkennen und danach zu handeln. Eine komplexe Aufgabe, mit der man sich sicher unendlich lange beschäftigen kann, langweilig wird einem dann wohl nicht.

Freitag, 2. September 2011

Abschied

Ich beobachte das endlose Asphaltband, das unter meinem Auto hindurch gleitet und langsam im Rückspiegel verschwindet, und versuche mir vorzustellen, dass meine Reise nach Brasilien jetzt, an diesem 1. September, schon begonnen hat. Es wird ernst, all das worauf ich seit zwei Jahren hingearbeitet habe. Stetig bewege ich mich nach Westen Richtung La Rochelle, befinde mich zumindest statistisch gesehen wohl auf der gefährlichsten Etappe der gesamten Unternehmung. Kaum zu begreifen eigentlich, das Gefühl sagt natürlich etwas anderes.

Hinter mir liegen Wochen der stillen Vorbereitung. Die Arbeiten am Boot in Lorient - Erneuerung des Riggs, Ausbesserungsarbeiten, kleinere Optimierungen für die Handhabung bei Manövern, Installation von neuer Elektrik, neues Unterwasserschiff - sind noch das offensichtlichste. Wer denkt aber an eine Ernährungsliste mit Berechnung der Kalorien, Testkochen mit dem Jetboil (wie viele Nudeln kann man darin auf einmal kochen?), an all die verschiedenen Dokumente für Navigation, Astronavigation und für die Sicherheitskontrollen, an ausreichend Speicherkarten für die Kameras? Alle Fäden müssen jetzt zusammenlaufen, nichts duldet mehr Aufschub.

Zwischendrin verordne ich mir aber auch Entspannung, Ablenkung, normales Leben, denn das wird mir auf dem Atlantik irgendwann fehlen. Das merke ich schon bei den vielen Abschieden zuletzt, die mir schwer fallen. Und Auftrieb geben, denn die Anteilnahme, die ich erfahre, ist schon überwältigend. Ob es die Kollegen sind, die mir u.a. den Volleyball "Wilson" schenken, damit ich nicht ganz alleine bin (Tom Hanks lässt grüßen), die Freunde, die mir Fotos oder Musik und Hörspiele (z.T. sogar selbst vorgelesen!) mit auf die Reise geben oder einfach nur an mich denken, all das wird mir bei mentalen Durchhängern auf dem Meer enorm helfen und motiviert mich die Herausforderung jetzt mit viel Energie anzunehmen.

Jetzt beginnt der Endspurt vor dem Rennen. Dreieinhalb Wochen für Boot, Aurüstung, Navigation und Motivation. Alles nochmal rekapitulieren. Den Anfang macht ein dreitägiger Kurs über Wetter und Taktik beim französischen Starrouter Jean-Yves Bernot. Wir gehen alle möglichen Szenarien für die gesamte Route durch. Ein perfekter Start um mich jetzt voll auf das Transat zu konzentrieren.

Montag, 13. Juni 2011

Sprintetappe

Etwa 200 Menschen sitzen in dem Zelt, das der Winches Club in Douarnenez direkt am Hafen errichtet hat. Der Club zeigt sich wirklich sehr gastfreundlich, jetzt nach der Siegerehrung bietet man Cidre und ein deftiges Buffet für die Regattasegler, nachdem es schon vorher, direkt nach dem Zieleinlauf, für jeden eine warme Mahlzeit inklusive Dessert gegeben hatte, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Die meisten sind schon beim zweiten oder dritten Glas als ein alles übertönendes, triumphierendes "Eeeeyyy!!" den Raum füllt. Mit dem Grinsen eines Oscargewinners, beide Arme in die Höhe gestreckt, steht Radek Kowalczyk in gelber Teamkleidung mitten im Eingang. Für eine Sekunde ist es muxmäuschenstill. Dann donnernder Applaus, Gejohle, minutenlang. Radek verbeugt sich immer wieder vor seinem Publikum, es ist der bisher bewegendste Moment meiner beiden Mini-Saisons. Kein Sieger ist bisher auch nur ansatzweise so gefeiert worden. Nur: Radek ist nicht der Sieger, im Gegenteil, er kommt gerade von seinem Boot, ist als letzter ins Ziel gekommen. Die Reaktion auf seine Ankunft ist durchaus eine ernst zunehmende Anerkennung für seine Leistung. Typen wie Radek machen den bunten Melting Pot der Classe Mini aus, in dem Segler mit verschiedensten Hintergründen gegeneinander antreten und wo es durchaus auch ein Erfolg sein kann überhaupt das Ziel zu erreichen. Der Pole segelt seine erste Minisaison auf einem selbst gebauten Prototypen. Es ist bereits sein zweites Boot, das erste stürzte beim Transport von Polen nach Frankreich vom Trailer. Er hat trotzdem nicht aufgegeben, sondern ein neues Boot gebaut und verbringt nun mit seinem Co-Skipper und einem weiteren Freund die Segelsaison in der Bretagne. Das Team "Ocean650.com" versprüht Leichtigkeit und Spaß und ist schon jetzt Meister der Herzen. Ziel: Minitransat 2013.

Aber was geschah eigentlich zuvor? Die vier Trainingstage in Douarnenez vor der Trophée MAP zusammen mit Ysbrand, Christa, Bruno und Hugo bei unserem Trainer Charles haben nochmal richtig was gebracht. Beim Start am Donnerstag habe ich eine richtig gute Position an der Linie. Nicht ganz auf der besseren Seite, aber ganz vorne, auch den Speed der anderen um mich herum kann ich bei dem leichten bis mittleren Wind gut mit gehen. Trotzdem im Hinterkopf immer der Gedanke: um 17:00 geht an der Engstelle Raz de Seine erstmal die Tür zu, dann kippt der Strom und es wird schwierig bis unmöglich dort durch zu segeln, man müsste erstmal drei bis vier Stunden warten. Nach 15 Meilen Kreuz erreiche ich den Raz um etwa 16:00, werde von der Strömung noch schön durchgeschoben und setze erstmal den falschen Spinnaker (Code 5 statt Spi Maxi), was mich etwa 500 Meter auf Christa ten Brinke (758) kostet, ziemlich genau die Distanz, die sie später im Ziel Vorsprung hat.

Es folgt eine schlaflose Nacht, bei extrem wenig Wind heißt es konzentrieren und irgendwie die Segel in Form halten. Außerdem liegt die Flotte noch eng beieinander, was sogar die sonst von Seglern kaum zu beeindruckenden französischen Fischer dazu veranlasst einen Bogen um uns herum zu machen. Am Freitag Vormittag an der Ile de Groix, nach gut 70 Meilen, gibt es immer noch engste Positionskämpfe unter Spinnaker, die Südmarke Birvideaux runde ich direkt hinter Bruno Simonet (744) und Amaury Francois (697). Beide sind in der Regel Top 10 Segler, ich bin mit meiner bisherigen Leistung also ziemlich zufrieden.

Leider habe ich bei der Routenwahl für den Rückweg Richtung Raz de Seine ein weniger glückliches Händchen. Statt entweder die richtige Offshore-Option zu nehmen und auf die angekündigte Front inklusive günstigem Südwest-Winddreher zu hoffen oder richtig an der Küste zu bleiben, rechts an den Iles des Glenans vorbei, wo wenig Welle steht, nehme ich den Mittelweg. Das bedeutet, dass ich am Freitag Abend stundenlang gegen die sich immer weiter aufbauende See ankämpfen muss, über die das Boot wie ein Rodeopferd hüpft und dabei Geschwindigkeit verliert. Außerdem passt die Position der Reffbefestigung für mein neues Großsegel noch nicht, und um es nicht gleich zu Anfang außer Form zu bringen, bleibe ich auch bei 25 Knoten Wind noch bei der vollen Segelfläche anstatt zwei Reffs. Das Steuern wird dadurch zu einem extremen Balanceakt mit ca. 1 bis 2 Grad Toleranz und gleichzeitigem aussteuern der Wellen. Ich verlasse das Steuer erst, als der Wind am späten Abend endlich wieder unter 18 Knoten kommt. Erst dann kann ich mich endlich richtig warm anziehen und kurze Schlafetappen einlegen. Obwohl ich den Alarm auf 15 oder 20 Minuten einstelle und schon extrem müde bin, wache ich nach spätestens 10 Minuten auf. Es sind immer noch andere Minis in Sicht und ich entgehe trotz der sehr kurzen Phasen unter Deck nur knapp einer Kollision mit Becky Scott (438).

Nach 70 Meilen Kreuz erreiche ich den Raz de Seine erneut zu einer günstigen Zeit. Der Strom zieht mich durch die abenteuerlich steilen und hohen Wellen, gegen die Rikki Tikki etwas klein und unbeholfen wirkt. Ganz im Gegensatz zu der nur wenige Meter hinter mir segelnden 60 Fuß IMOCA-Yacht "Safran", die elegant über das Wasser gleitet. Auf den letzten 15 Meilen bis Douarnenez kann ich unter Spi bei wenig Wind gut verteidigen, aber auch nichts mehr aufholen. Nach etwa 51 Stunden erreiche ich als 31. von knapp 50 Serienbooten das Ziel, das Projekt "Mittelfeld" wird langsam umgesetzt.

Als ich im Hafen von Bord gehe, fühlen sich meine Beine wie Gummi an. Ich habe wohl nicht mehr als 2 Stunden insgesamt geschlafen, am Freitag und Samstag fast nichts gegessen und mein Körper befindet sich klar im roten Bereich. Ein Wunder, dass ich die anstrengenden Spimanöver auch kurz vor Schluss noch so gut hinbekommen habe. Das ist genau die Schwierigkeit der 200-Meilen "Sprintetappen": zu kurz für einen normalen Bordrhythmus, zu lang um ihn völlig wegzulassen.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Trophee MAP: Start 09.06.2011 11:00

Morgen, Donnerstag, 09. Juni um 11:00 startet die Trophee MAP in Douarnenez. Der Rundkurs geht um die Pointe de Raz, Richtung Lorient und zurueck. Drei Deutsche sind am Start: Joerg (753), Jan (613) und ich (626). Ihr findet uns hier.

Freitag, 6. Mai 2011

Die Entdeckung der Langsamkeit


Belle Ile ist vermutlich - dem Namen nach zumindest - eine verflucht schöne Insel. Für mich ist sie in erster Linie verflucht, denn zwischen ihr und der Quiberon-Halbinsel scheint sich erstaunlich oft ein Nerven zermürbendendes Flautenloch zu bilden. Neulich, bei der Überführung von Rikki Tikki nach Lorient, paarte sich die Flaute nachts noch mit dichtestem Nebel, sodass meine beiden Mitsegler Thomas und Tobi gemeinsam mit mir nervös die Motorengeräusche um uns herum zu orten versuchten, die der Nebel vermutlich besonders gut transportierte und sehr nahe erscheinen ließ. Sie kamen immer wieder aus unterschiedlichen Richtungen, und da wir ohne Wind praktisch manövrierunfähig waren blieb uns nichts anderes als auf den Radar Echotransponder und die Durchgabe unserer Position per UKW-Funk zu vertrauen.
Die Franzosen nennen die Flaute "Pétole" und dieses Wort habe ich in den Tagen nach dem Pornichet Select Rennen besonders oft gehört, denn jeder der Teilnehmer musste sich mehrfach stundenlang gedulden bis es endlich wieder weiterging. Für etliche war das auch der Grund die Regatta abzubrechen. Das Wetter während des Rennens wurde von einem kleinen Tief südlich des Parcours bestimmt, das langsam in sich zerfallend nach Norden über uns hinwegzog, dabei für sehr variable Windverhältnisse sorgte und uns in der Nacht von Samstag auf Sonntag eine kleine Gewitterfront bescherte. Momente wie dieser haben etwas magisches, etwas überwältigendes, Eindrücke und Emotionen bombardieren einen von innen und außen und wollen sofort wieder aus einem heraussprudeln, aber es ist keiner da, mit dem man sie teilen kann. Das ist der große Nachteil des Abenteuers Einhandsegeln. Die Erlebnisse sind sicher besonders intensiv, aber man kann sie im Nachhinein nicht ansatzweise in Worte fassen und angemessen weitergeben. Das Gefühl der gemeinsamen Beklemmung der nach vielen Stunden immer noch dicht beieinander segelnden Minis unter Beobachtung der Wolkenformationen und -bewegungen, des Donnergrollens und der Blitze. Der Blick in die Ferne zu den anderen Booten: werden da Segel gewechselt, wird gerefft, irgendwelche anderen Anzeichen für starke Windänderungen? Die Frage: ist es eigentlich ein Vorteil, dass hier achtzig Blitzableiter eng beieinander stehen, im Sinne von sinkender Wahrscheinlichkeit, dass mein Boot getroffen wird? Wann fängt die Elektronik an zu spinnen, zeigt das GPS vielleicht keine Position mehr an? Dann der starke Regen, tropisch irgendwie, aber deutlich kälter. Um das Innere des Bootes einigermaßen trocken zu erhalten bleibe ich soweit es geht im Cockpit und lasse mich duschen. Die auf der Wasseroberfläche aufprallenden Tropfen und kleinen Hagelkörner verursachen ein fluoreszierendes Leuchten. Tolle Bilder, die ich leider nicht festhalten kann, und die mich aber auch all die nervenzerreibenden Stunden in der Flaute mit schlagenden Segeln vergessen lassen.
Nun aber etwas zur Beantwortung einer Frage, die sich zumindest diejenigen wohl gestellt haben, die die Regatta ein bisschen verfolgt haben. Wie kann es eigentlich sein, dass in einem Rennen über nur 300 Seemeilen zwischen der Zielankunft des ersten und des letzten Bootes über 40 Stunden liegen? Zum einen liegt es an der sehr unterschiedlichen Performance von Prototypen und Serienbooten, aber auch von neuen und älteren Prototypen. Die Protos verfügen über verschiedene Ballastsysteme (Schwenkkiel, Wasserballast), die es ermöglichen, bei viel Wind mehr aufrichtendes Moment zu erzeugen und außerdem bei sehr leichtem Wind einen guten "Leetrimm" zu machen. D.h. den Ballast auf die Seite zu bewegen, auf der die Segel stehen und damit etwas Schräglage zu erzeugen, sodass die Segel aufgrund der Schwerkraft in einer guten Position und in ihrer Flügelform bleiben anstatt hin und her zu schlagen und damit das Boot vollends zu stoppen. Hauptursache für die extreme Zeitspanne zwischen dem ersten und dem letzten war diesmal aber sicher das extrem instabile Wetter. Die Windrichtung drehte sich über die gesamte Zeit um etwa 720°, die Spitzengruppe konnte dem ersten Flautenfeld noch entwischen und hatte dann in der Folge die Bahnmarken zu günstigen Zeitpunkten erreicht. Der lange Weg von Belle Ile nach Ile d´Yeu war für die einen ein direkter Spinnakerkurs, für die anderen eine langatmige Kreuz. So war die Enttäuschung einiger Segler am Ende groß. Manche haben das Zeitlimit am Dienstag morgen um 7 Uhr nicht geschafft, was bedeutet, dass die gesegelten Meilen nicht für die Qualifikation zum Minitransat zählen und dass nun einige Minitransat-Projekte auf der Kippe stehen, denn Starterliste ist schon voll und die Warteliste füllt sich immer mehr.

Freitag, 29. April 2011

Ready to go

Eine relativ ruhige Woche der Vorbereitung für das Pornichet Select neigt sich dem Ende zu. Das Boot ist startbereit, alle kleinen Arbeiten daran erledigt. Der aufwändigste Job war der Austausch der Rettungsinseln. Da bei meiner die Wartung überfällig war, hatte ich mir für das Demi-Cle die Rettungsinsel eines anderen Seglers ausgeliehen. Zum Start des Pornichet Select sollte dann meine eigene wieder einsatzbereit sein. Montag musste ich dann aber feststellen, dass in Sachen Wartung noch überhaupt nichts passiert war. Normalerweise dauert das drei Wochen, ich hatte aber nur drei Tage, Donnerstag morgen war mein Sicherheitscheck. Bis ich die fertig kontrollierte Rettungsinsel gerade noch rechtzeitig in Empfang nehmen konnte, waren noch etwas Überredungskunst und einige Autokilometer erforderlich. Der schwierigere Teil der Mission war, das andere Rettungsfloß wieder aus meinem Boot zu entfernen, denn das schwere Paket hatte sich im Lauf der Zeit etwas verformt, sodass es nicht mehr durch die Luke im Heck passte, durch die man es normalerweise im Bedarfsfall herauszieht. Im Inneren des Minis ist jede Nische irgendwie genutzt, sodass ich erst einiges Equipment desinstallieren musste um in der Lage zu sein, das Floß von Innen zu entfernen.
Insgesamt ist dieses Jahr aber alles sehr viel einfacher. Vieles kann ich noch aus der Vorsaison übernehmen, außerdem kenne ich das Revier inzwischen etwas. Die Windvorhersage ist so instabil, dass man sich noch keine großen Gedanken über Strategie zu machen braucht. Heute morgen war sogar ein Taucher an meinem Boot und hat die Algen vom Unterwasserschiff abgewischt, ein Service für die Pornichet-Trainingsgruppe. Das hatte ich für das Demi-Cle noch selbst gemacht, es dauert etwa 45 Minuten und ist ohne Taucherflasche ganz schön anstrengend. Irgendwie läuft alles sehr locker momentan und so sehe ich dem Start morgen entspannt entgegen und freue mich schon, dass es endlich wieder losgeht.

Mittwoch, 27. April 2011

Pornichet

Am Samstag startet mit dem Pornichet Select die erste Soloregatta dieser Saison am Atlantik. Vergangenes Wochenende hat die Zweimann-Regatta Demi-Cle hierher geführt, und seit Sonntag Nachmittag liegt Rikki Tikki nun an der Hafentankstelle, wie in einem riesigen Floß vertäut mit etlichen anderen Minis. Das ist das Los wenn man bei der Regatta sehr weit hinten landet: die guten Plätze im Hafen sind schon alle weg.
Das Demi-Cle war ein sehr schöner Segeltrip, die meiste Zeit war ordentlicher Wind und es gab tatsächlich auch Spinnakerkurse. Aus sportlicher Sicht lief es am Ende eher schlecht. Co-Skipper Gerald und ich hatten uns nach einer fast schlaflosen Nacht eine ganz gute Position zurückerarbeitet, mussten dann aber nach einer misslungenen Halse erstmal den Spinnaker wieder vom Vorstag knoten und zusehen wie der gutgemachte Boden wieder verloren ging und einige Konkurrenten uneinholbar vorbeizogen. Am Ende lagen wir auf Platz 65 von 70 gewerteten Booten. Allerdings bin ich sehr glücklich, dass das Boot und wir komplett unbeschadet sind. In der Nacht hatte es einen größeren Rettungseinsatz an der Ile de Groix gegeben, lange hatte dort ein Helikopter mit Suchscheinwerfern über dem Wasser gekreist. Die Fotos des betroffenen Minis waren erschreckend. Es war wohl südlich der Insel auf einen Felsen gelaufen, der ist Kiel abgebrochen, eine Seite fast völlig zerstört. Das Boot wurde kopfüber in den Hafen geschleppt. Das zeigt, dass auch die vermeintlich kleinen Rennen hier nicht auf die leichte Schulter zu nehmen sind.
Nun laufen die Vorbereitungen für das Pornichet Select auf Hochtouren. Ich habe mich mit Dan Dytch, Ulf Branstrom und Emma Creighton auf einem Camplingplatz eingemietet. Gute Gesellschaft vor drei einsamen Renntagen und jede Menge Informationsaustausch, der sehr hilfreich sein kann. Morgen früh bekomme ich meine frisch gewartete Rettungsinsel zurück, gerade rechtzeitig für den Sicherheitscheck um zehn Uhr, und dann bin ich startbereit.

Donnerstag, 21. April 2011

Mehr als 70 Starter zum Saisonauftakt

Das Bild im kleinen Hafen von Locmiquelic in der Bucht von Lorient wird bestimmt von den Minis, die sich für das Demi-Cle-Rennen zum Saisonstart am Altantik eingefunden haben. Von hier aus habe ich vor einem Jahr die ersten Meilen gesegelt, das Prozedere vor denn Rennen, die Security-Checks, den Verwaltungskram etc. kennengelernt. Auf den ersten Blick hat sich nichts verändert, denn Locmiquelic ist ein verschlafenes Nest. Ganz anders als auf der anderen Seite der Sporthafen an der Base des Sousmarins in Lorient, wo zwischen den U-Bootbunkern des Zweiten Weltkriegs wie im Zeitraffer neue Hangare für die modernsten Rennyachten der Welt gebaut werden und nun die Infrastruktur für das vorletzte Etappenziel des nächsten Volvo-Ocean-Races 2011/2012 entsteht. Vorgestern wurde hier die beim Barcelona-World-Race vor kurzem siegreiche "Virbac-Paprec" aus dem Wasser gekrant, in Sichtweite der beiden Dauerkonkurrenten um den Weltrekord im Weltumsegeln "Groupama 3" und "Banque Populaire". Hier schlägt das Herz des europäischen Offshore-Segelns. Ein bisschen hat die diese Aura gerade auch Locmiquelic erreicht, man merkt, dass dieses Jahr das nächste Minitransat ansteht. Das ursprünglich auf 50 Boote beschränkte Starterfeld des Demi-Cle wurde kurzfristig erweitert. Dieses Mal sind 72 Boote am Start, so viele Teilnehmer hat letztes Jahr nur das äußerst beliebte Minifastnet gezogen. Etliche Boote sind in den letzten Wochen neu dekoriert worden mit Sponsorendesigns. Die Skipper auf der Warteliste versuchen so schnell wie möglich die letzten Qualifikationsmeilen zu sammeln um endlich endgültig planen zu können. Und um überhaupt starten zu können, denn eigentlich sind die Plätze schon so gut wie vergeben. Das ist das Thema Nummer Eins. Jede Wiedersehensbegrüßung zwischen den Miniskippern wird begleitet von einem "are you qualified?". Ich bin froh entspannt mit "yes" antworten zu können.

Und froh, dass es nun losgeht, dass ich mich besser vorbereitet fühle. Zwölf Trainingstage und zwei Überführungen zwischen Lorient und Pornichet liegen 2011 bereits hinter mir. Die hatten es teilweise in sich, denn in dieser Zeit habe ich mehr brenzlige Situationen und Rückschläge erlebt als im kompletten letzten Jahr. Ein abgebrochener Überführungsversuch nach Pornichet, nachts mit ca. 6 m hohen Wellen und einer zerrissenen Genua, ein kleiner aber teurer Crash während eines Trainings, die unsichtbare Nähe großer Schiffe nachts im dichten Nebel auf dem Rückweg von Pornichet nach Lorient. Zumindest dieses letzte Erlebnis hat den Trip für meine beiden Freunde und Mitsegler Tobias und Thomas bei ihrer ersten Segeltour im Nachhinein zu einem großen Abenteuer gemacht und ihnen einen kleinen Eindruck vermitteln können, was diese Art des Segelns ausmacht, und dass hier keine Cocktails gereicht werden.

Nun läuft der Countdown, Samstag 23.04. um 10 Uhr ist der Start in der Bucht vor Lorient und ich werde gemeinsam mit meinem Co-Skipper Gerald ins Rennfieber verfallen, rätseln ob die Route rechts oder links an den Glenans-Inseln die bessere sein wird, warten wann der voraussichtlich sehr instabile Wind auf Nord dreht und stärker wird und versuchen uns im Feld gut zu behaupten. Wir sind vorbereitet, die anderen aber sicher auch.