Das Wasser kocht am Leuchtturm La Plate, der die Passage Raz du Seine zwischen der Ile de Seine und dem Kap Pointe du Raz markiert. Ich bin spät dran. Während ich die RIKKI TIKKI durch die haarsträubende Strom- und Windwelle steuere sehe ich im Hintergrund die malerische Baie de Trepasses. Blickt man vom Strand dort hinaus aufs Meer, so ist der Anblick ähnlich malerisch, nichts lässt einen die schwierigen Bedingungen der Durchfahrt vermuten. Außer der Name vielleicht, Trepasses bedeutet „die Verstorbenen“. Die Gezeitenströmung in der Raz du Seine erreicht etwa die durchschnittliche Geschwindigkeit meines Bootes und ist eine Stunde vor meiner Ankunft in die Gegenrichtung gekippt. Gerade noch komme ich durch und kann nun zweieinhalb Stunden vor dem Wind auf den Wellen zu meinem Zielort surfen. Ich befinde mich auf dem Weg nach Douarnenez zum Start der Trophée Marie-Agnes-Peron, einer 200-Meilen Soloregatta. Auch hierfür bin ich spät dran. Starker Wind und hohe Wellen hatten mich in der Nacht zuvor zu einem ungeplanten Zwischenstopp in Concarneau gezwungen, nun wird es eng werden mit der Frist für die umfangreichen Sicherheitskontrollen, es ist unklar ob ich überhaupt starten kann. Die Vorbereitungen muss ich auf das wesentliche beschränken, ich bin vor dem Start eigentlich schon am Ende.
Zwei Tage danach biege ich in entgegengesetzter Richtung in die Meerenge ein, der Kurs der Trophée führt zweimal durch die Raz du Seine. Irgendwie war am Vorabend der Moment gekommen, in dem auch das letzte wesentliche Problem gelöst war. „No more excuses” hatte Dan von Mini 312 gesagt. Nun blicke ich auf das traurige Bild, das sich mir bietet. Bei wechselnden leichten Winden haben nur drei Boote den Weg hierher rechtzeitig geschafft um sich noch vom Gezeitenstrom durch die Raz schieben zu lassen. Der Großteil des Feldes ist weit nach Nordwesten verstreut. Einige haben alle verfügbaren Leinen aneinander gebunden und den Anker geworfen, es sieht so aus als ob sie den anderen davon fahren würden. Gefahr besteht keine, das Wasser treibt einen aus der Passage hinaus und man kann einen neuen Anlauf nehmen. Ein paar Stunden später. Wie vermutlich jeder andere vor mir versuche ich den nach dem Strömungsatlas einzig möglichen Weg: um den ersten Felsvorsprung herum, einen Bogen durch die Baie de Trepasses, wo der Strom kaum ausgeprägt ist, und dann ganz nahe an den Felsen dem Leuchtturm nähern, im letztmöglichen Moment in die Strömung einfahren und hoffen, dass der Wind reicht um vorbeizukommen. Schaffe ich die Durchfahrt, habe ich eine sehr gute Position im vorderen Mittelfeld. Doch der Wind flaut weiter ab, ich bleibe auch hängen, breche noch rechtzeitig ab und versuche das Boot sofort wieder in die Bucht zurück zu manövrieren um dort auf eine gute Gelegenheit für einen neuen Anlauf zu warten. Nach zwanzig Minuten gelingt mir das und nur wenig später ist er da, der notwendige Wind. Hektisch ziehen alle gleichzeitig die Spinnaker oder heben den Anker, etwa eine halbe Stunde dauert es, bis man aus dem gröbsten raus ist, einen Steinwurf weit entfernt.
Die Nacht und der folgende Tag sind von drehendem und leichtem Wind geprägt. Und von der Aneinanderreihung falscher taktischer Entscheidungen meinerseits. In der Dunkelheit waren schon einige Boote von hinten aufgekommen, nur an den schneller wandernden Positionslichtern zu erkennen. Der Grund für den Geschwindigkeitsunterschied ist ein verpasster notwendiger Segelwechsel. Er erschließt sich mir erst im Morgengrauen zwischen den Iles des Glénans und der Ile de Groix vor Lorient als die Konkurrenten wieder zu erkennen sind. Es ist nachts wirklich deutlich schwerer auf die sich verändernden Verhältnisse richtig zu reagieren. In der Folge versuche ich mich von Windstrich zu Windstrich in Richtung Ile de Groix zu hangeln und mich dabei immer mehr dem Festland zu nähern. Dort erhoffe ich mir ein bisschen Thermik, die den etwas längeren Weg, den ich damit auf mich nehme, überkompensiert. Eine vermeintliche Lehre aus der vorangegangenen Pornichet-Select-Regatta. Doch spielen auch hier die Gezeitenströme eine erhebliche Rolle, wie schon auf den ersten Meilen in der Bucht von Douarnenez. Obwohl sie keinen Wind zu haben scheinen, ziehen einige Boote in der Entfernung an mir vorbei.
Südlich der Ile de Groix frischt der Wind für die letzten Meilen bis zur Südmarke der Route noch mal auf und ermöglicht eine Stunde lang das, wofür die Bootsklasse eigentlich gemacht ist: schnelles dahingleiten unter Spinnaker. Als ich am Wendepunkt nördlich von Belle Ile ankomme ist es später Nachmittag und ich fast letzter. Die Siegerehrung ist für den nächsten Abend vorgesehen, es scheint schon jetzt unmöglich bis dahin wieder im Hafen zu sein. Der Wind hat gedreht und die Wetterprognose prophezeit ca. vierundzwanzig Stunden segeln gegen den Wind. Das geht an die Substanz, körperlich und mental. Ich bin frustriert. Das andauernde französische Gequassel auf dem UKW-Funk macht mich fast wahnsinnig. Kaum ein Slot um selbst mal zu funken. Die Regattaleitung hat irgendeine Nachricht verbreitet, die ich nicht verstanden habe, und ich würde gerne auf englisch noch mal nachfragen. Bruchstückhaft verstehe ich wie stattdessen Fischer Kochrezepte austauschen und sich über ihre Frauen unterhalten. Außerdem hat man das Gefühl, dass einige französische Teilnehmer ihre Taktik untereinander abstimmen. Ich schalte den Autopiloten ein und stelle meinen Schlafalarm auf vierzig Minuten. Ein komfortabler Wert für die Schlafetappen.
Vierundzwanzig Stunden später stehe ich wieder kurz vor dem Leuchtturm La Plate. Diesmal bin ich zu früh, der Gezeitenstrom ist immer noch gegen mich gerichtet, aber der Wind reicht aus mich wie gewohnt durch die unruhigen Wellen zu bringen. In der Bucht von Audierne hatte ich mir noch mal einen kleinen Zweikampf mit Tolga Pamir geliefert. Und verloren. Zwei Äpfel und eine Banane den ganzen Tag über waren zu wenig um Energie und geistige Frische dafür zu bringen. Als Vorletzter surfe ich die letzten knapp zwei Stunden die Wellen Richtung Douarnenez herunter. Bis über zehn Knoten zeigt das Speedometer manchmal an und kompensiert damit etwas die Strapazen der letzten beiden Tage. Als ich im Hafen anlege höre ich schon die Ansprachen für die Siegerehrung. Im Menschengedränge gibt es Cidre zum Anstoßen, nach zwei Schluck bin ich einigermaßen betrunken.
Zwei Tage danach biege ich in entgegengesetzter Richtung in die Meerenge ein, der Kurs der Trophée führt zweimal durch die Raz du Seine. Irgendwie war am Vorabend der Moment gekommen, in dem auch das letzte wesentliche Problem gelöst war. „No more excuses” hatte Dan von Mini 312 gesagt. Nun blicke ich auf das traurige Bild, das sich mir bietet. Bei wechselnden leichten Winden haben nur drei Boote den Weg hierher rechtzeitig geschafft um sich noch vom Gezeitenstrom durch die Raz schieben zu lassen. Der Großteil des Feldes ist weit nach Nordwesten verstreut. Einige haben alle verfügbaren Leinen aneinander gebunden und den Anker geworfen, es sieht so aus als ob sie den anderen davon fahren würden. Gefahr besteht keine, das Wasser treibt einen aus der Passage hinaus und man kann einen neuen Anlauf nehmen. Ein paar Stunden später. Wie vermutlich jeder andere vor mir versuche ich den nach dem Strömungsatlas einzig möglichen Weg: um den ersten Felsvorsprung herum, einen Bogen durch die Baie de Trepasses, wo der Strom kaum ausgeprägt ist, und dann ganz nahe an den Felsen dem Leuchtturm nähern, im letztmöglichen Moment in die Strömung einfahren und hoffen, dass der Wind reicht um vorbeizukommen. Schaffe ich die Durchfahrt, habe ich eine sehr gute Position im vorderen Mittelfeld. Doch der Wind flaut weiter ab, ich bleibe auch hängen, breche noch rechtzeitig ab und versuche das Boot sofort wieder in die Bucht zurück zu manövrieren um dort auf eine gute Gelegenheit für einen neuen Anlauf zu warten. Nach zwanzig Minuten gelingt mir das und nur wenig später ist er da, der notwendige Wind. Hektisch ziehen alle gleichzeitig die Spinnaker oder heben den Anker, etwa eine halbe Stunde dauert es, bis man aus dem gröbsten raus ist, einen Steinwurf weit entfernt.
Die Nacht und der folgende Tag sind von drehendem und leichtem Wind geprägt. Und von der Aneinanderreihung falscher taktischer Entscheidungen meinerseits. In der Dunkelheit waren schon einige Boote von hinten aufgekommen, nur an den schneller wandernden Positionslichtern zu erkennen. Der Grund für den Geschwindigkeitsunterschied ist ein verpasster notwendiger Segelwechsel. Er erschließt sich mir erst im Morgengrauen zwischen den Iles des Glénans und der Ile de Groix vor Lorient als die Konkurrenten wieder zu erkennen sind. Es ist nachts wirklich deutlich schwerer auf die sich verändernden Verhältnisse richtig zu reagieren. In der Folge versuche ich mich von Windstrich zu Windstrich in Richtung Ile de Groix zu hangeln und mich dabei immer mehr dem Festland zu nähern. Dort erhoffe ich mir ein bisschen Thermik, die den etwas längeren Weg, den ich damit auf mich nehme, überkompensiert. Eine vermeintliche Lehre aus der vorangegangenen Pornichet-Select-Regatta. Doch spielen auch hier die Gezeitenströme eine erhebliche Rolle, wie schon auf den ersten Meilen in der Bucht von Douarnenez. Obwohl sie keinen Wind zu haben scheinen, ziehen einige Boote in der Entfernung an mir vorbei.
Südlich der Ile de Groix frischt der Wind für die letzten Meilen bis zur Südmarke der Route noch mal auf und ermöglicht eine Stunde lang das, wofür die Bootsklasse eigentlich gemacht ist: schnelles dahingleiten unter Spinnaker. Als ich am Wendepunkt nördlich von Belle Ile ankomme ist es später Nachmittag und ich fast letzter. Die Siegerehrung ist für den nächsten Abend vorgesehen, es scheint schon jetzt unmöglich bis dahin wieder im Hafen zu sein. Der Wind hat gedreht und die Wetterprognose prophezeit ca. vierundzwanzig Stunden segeln gegen den Wind. Das geht an die Substanz, körperlich und mental. Ich bin frustriert. Das andauernde französische Gequassel auf dem UKW-Funk macht mich fast wahnsinnig. Kaum ein Slot um selbst mal zu funken. Die Regattaleitung hat irgendeine Nachricht verbreitet, die ich nicht verstanden habe, und ich würde gerne auf englisch noch mal nachfragen. Bruchstückhaft verstehe ich wie stattdessen Fischer Kochrezepte austauschen und sich über ihre Frauen unterhalten. Außerdem hat man das Gefühl, dass einige französische Teilnehmer ihre Taktik untereinander abstimmen. Ich schalte den Autopiloten ein und stelle meinen Schlafalarm auf vierzig Minuten. Ein komfortabler Wert für die Schlafetappen.
Vierundzwanzig Stunden später stehe ich wieder kurz vor dem Leuchtturm La Plate. Diesmal bin ich zu früh, der Gezeitenstrom ist immer noch gegen mich gerichtet, aber der Wind reicht aus mich wie gewohnt durch die unruhigen Wellen zu bringen. In der Bucht von Audierne hatte ich mir noch mal einen kleinen Zweikampf mit Tolga Pamir geliefert. Und verloren. Zwei Äpfel und eine Banane den ganzen Tag über waren zu wenig um Energie und geistige Frische dafür zu bringen. Als Vorletzter surfe ich die letzten knapp zwei Stunden die Wellen Richtung Douarnenez herunter. Bis über zehn Knoten zeigt das Speedometer manchmal an und kompensiert damit etwas die Strapazen der letzten beiden Tage. Als ich im Hafen anlege höre ich schon die Ansprachen für die Siegerehrung. Im Menschengedränge gibt es Cidre zum Anstoßen, nach zwei Schluck bin ich einigermaßen betrunken.
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