Montag, 13. Juni 2011

Sprintetappe

Etwa 200 Menschen sitzen in dem Zelt, das der Winches Club in Douarnenez direkt am Hafen errichtet hat. Der Club zeigt sich wirklich sehr gastfreundlich, jetzt nach der Siegerehrung bietet man Cidre und ein deftiges Buffet für die Regattasegler, nachdem es schon vorher, direkt nach dem Zieleinlauf, für jeden eine warme Mahlzeit inklusive Dessert gegeben hatte, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Die meisten sind schon beim zweiten oder dritten Glas als ein alles übertönendes, triumphierendes "Eeeeyyy!!" den Raum füllt. Mit dem Grinsen eines Oscargewinners, beide Arme in die Höhe gestreckt, steht Radek Kowalczyk in gelber Teamkleidung mitten im Eingang. Für eine Sekunde ist es muxmäuschenstill. Dann donnernder Applaus, Gejohle, minutenlang. Radek verbeugt sich immer wieder vor seinem Publikum, es ist der bisher bewegendste Moment meiner beiden Mini-Saisons. Kein Sieger ist bisher auch nur ansatzweise so gefeiert worden. Nur: Radek ist nicht der Sieger, im Gegenteil, er kommt gerade von seinem Boot, ist als letzter ins Ziel gekommen. Die Reaktion auf seine Ankunft ist durchaus eine ernst zunehmende Anerkennung für seine Leistung. Typen wie Radek machen den bunten Melting Pot der Classe Mini aus, in dem Segler mit verschiedensten Hintergründen gegeneinander antreten und wo es durchaus auch ein Erfolg sein kann überhaupt das Ziel zu erreichen. Der Pole segelt seine erste Minisaison auf einem selbst gebauten Prototypen. Es ist bereits sein zweites Boot, das erste stürzte beim Transport von Polen nach Frankreich vom Trailer. Er hat trotzdem nicht aufgegeben, sondern ein neues Boot gebaut und verbringt nun mit seinem Co-Skipper und einem weiteren Freund die Segelsaison in der Bretagne. Das Team "Ocean650.com" versprüht Leichtigkeit und Spaß und ist schon jetzt Meister der Herzen. Ziel: Minitransat 2013.

Aber was geschah eigentlich zuvor? Die vier Trainingstage in Douarnenez vor der Trophée MAP zusammen mit Ysbrand, Christa, Bruno und Hugo bei unserem Trainer Charles haben nochmal richtig was gebracht. Beim Start am Donnerstag habe ich eine richtig gute Position an der Linie. Nicht ganz auf der besseren Seite, aber ganz vorne, auch den Speed der anderen um mich herum kann ich bei dem leichten bis mittleren Wind gut mit gehen. Trotzdem im Hinterkopf immer der Gedanke: um 17:00 geht an der Engstelle Raz de Seine erstmal die Tür zu, dann kippt der Strom und es wird schwierig bis unmöglich dort durch zu segeln, man müsste erstmal drei bis vier Stunden warten. Nach 15 Meilen Kreuz erreiche ich den Raz um etwa 16:00, werde von der Strömung noch schön durchgeschoben und setze erstmal den falschen Spinnaker (Code 5 statt Spi Maxi), was mich etwa 500 Meter auf Christa ten Brinke (758) kostet, ziemlich genau die Distanz, die sie später im Ziel Vorsprung hat.

Es folgt eine schlaflose Nacht, bei extrem wenig Wind heißt es konzentrieren und irgendwie die Segel in Form halten. Außerdem liegt die Flotte noch eng beieinander, was sogar die sonst von Seglern kaum zu beeindruckenden französischen Fischer dazu veranlasst einen Bogen um uns herum zu machen. Am Freitag Vormittag an der Ile de Groix, nach gut 70 Meilen, gibt es immer noch engste Positionskämpfe unter Spinnaker, die Südmarke Birvideaux runde ich direkt hinter Bruno Simonet (744) und Amaury Francois (697). Beide sind in der Regel Top 10 Segler, ich bin mit meiner bisherigen Leistung also ziemlich zufrieden.

Leider habe ich bei der Routenwahl für den Rückweg Richtung Raz de Seine ein weniger glückliches Händchen. Statt entweder die richtige Offshore-Option zu nehmen und auf die angekündigte Front inklusive günstigem Südwest-Winddreher zu hoffen oder richtig an der Küste zu bleiben, rechts an den Iles des Glenans vorbei, wo wenig Welle steht, nehme ich den Mittelweg. Das bedeutet, dass ich am Freitag Abend stundenlang gegen die sich immer weiter aufbauende See ankämpfen muss, über die das Boot wie ein Rodeopferd hüpft und dabei Geschwindigkeit verliert. Außerdem passt die Position der Reffbefestigung für mein neues Großsegel noch nicht, und um es nicht gleich zu Anfang außer Form zu bringen, bleibe ich auch bei 25 Knoten Wind noch bei der vollen Segelfläche anstatt zwei Reffs. Das Steuern wird dadurch zu einem extremen Balanceakt mit ca. 1 bis 2 Grad Toleranz und gleichzeitigem aussteuern der Wellen. Ich verlasse das Steuer erst, als der Wind am späten Abend endlich wieder unter 18 Knoten kommt. Erst dann kann ich mich endlich richtig warm anziehen und kurze Schlafetappen einlegen. Obwohl ich den Alarm auf 15 oder 20 Minuten einstelle und schon extrem müde bin, wache ich nach spätestens 10 Minuten auf. Es sind immer noch andere Minis in Sicht und ich entgehe trotz der sehr kurzen Phasen unter Deck nur knapp einer Kollision mit Becky Scott (438).

Nach 70 Meilen Kreuz erreiche ich den Raz de Seine erneut zu einer günstigen Zeit. Der Strom zieht mich durch die abenteuerlich steilen und hohen Wellen, gegen die Rikki Tikki etwas klein und unbeholfen wirkt. Ganz im Gegensatz zu der nur wenige Meter hinter mir segelnden 60 Fuß IMOCA-Yacht "Safran", die elegant über das Wasser gleitet. Auf den letzten 15 Meilen bis Douarnenez kann ich unter Spi bei wenig Wind gut verteidigen, aber auch nichts mehr aufholen. Nach etwa 51 Stunden erreiche ich als 31. von knapp 50 Serienbooten das Ziel, das Projekt "Mittelfeld" wird langsam umgesetzt.

Als ich im Hafen von Bord gehe, fühlen sich meine Beine wie Gummi an. Ich habe wohl nicht mehr als 2 Stunden insgesamt geschlafen, am Freitag und Samstag fast nichts gegessen und mein Körper befindet sich klar im roten Bereich. Ein Wunder, dass ich die anstrengenden Spimanöver auch kurz vor Schluss noch so gut hinbekommen habe. Das ist genau die Schwierigkeit der 200-Meilen "Sprintetappen": zu kurz für einen normalen Bordrhythmus, zu lang um ihn völlig wegzulassen.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Trophee MAP: Start 09.06.2011 11:00

Morgen, Donnerstag, 09. Juni um 11:00 startet die Trophee MAP in Douarnenez. Der Rundkurs geht um die Pointe de Raz, Richtung Lorient und zurueck. Drei Deutsche sind am Start: Joerg (753), Jan (613) und ich (626). Ihr findet uns hier.